Produkt-Qualität von Anfang an: Berücksichtigung geometrischer Toleranzen

Veröffentlicht 30.03.2023

Die Erfassung von Toleranzen der Soll-Geometrie und deren Auswirkung auf die Funktionalität des Endproduktes stehen im Mittelpunkt unserer Qualitätsbetrachtung. Die Simulation von Auswirkungen ungewollter Geometrieabweichungen ist ein wesentliches Werkzeug, um die Produktqualität zu verbessern, Ausschuss zu vermeiden und Kosten zu sparen. Das Management der simulierten und gemessenen Geometriedaten schließt den Kreis zwischen virtueller und physikalischer Messung und erlaubt eine umfassende Gewährleistung der Qualität.

Redaktionsleitung
Dipl.-Ing. Nicole Meyer
Dipl.-Ing. Nicole Meyer
Senior Consulting 3DS-PLM | Redakteurin 3DS-PLM Technisches Magazin
Autor*in
Ulrich Decker
Ulrich Decker
Senior Consultant 3DS-PLM Toleranzmanagement, Sales DCS Solutions Europe

Kostenentwicklung in Abhängigkeit vom Stadium der Fehler Identifizierung

Das erst der beiden folgenden Schaubilder (Bild 1: Kostenentwicklung in Abhängigkeit vom Stadium der Fehleridentifizierung) verdeutlicht die Risiken, die durch eine fehlende oder eingeschränkte Ausgangssituation entstehen können. Beim zweiten Schaubild wird ersichtlich, warum mit dem digitalen Qualitätszwilling die Risiken in der Produktion durch den „First time Quality“-Ansatz minimiert werden (Bild 2: Simulation im frühen Stadium der Entwicklung reduziert erheblich die Risiken für späte Korrekturmaßnahmen).

Alle wollen Qualität – nicht jeder bekommt sie

Ideale Geometrien gibt es nur im CAD-System – jedes produzierte Bauteil hat Abweichungen. Eine ungünstige Kombination der Abweichungen kann zu erheblichen Fehlern kumulieren. Was „erheblich“ ist, hängt vom Endprodukt ab: Ein Hersteller mechanischer Uhren spricht von Mikrometern, der Automobilist bei der Karosserie von Millimetern.

Beispiel: Bei einer Fahrradkette mit 114 Gliedern und einer Toleranz von nur einem zehntel Millimeter pro Kettenglied kann die Kette im ungünstigen Falle mehr als einen Zentimeter zu lang oder zu kurz sein, was zu einer erheblichen Abweichung der Ist-Geometrie von der Soll-Geometrie führt.

Zugegebenermaßen ist die Problemstellung sehr häufig doch komplexer als ein lineares Aufaddieren der Einflüsse. Wird die Formabweichung beispielsweise wie eine „Ebenheit“ betrachtet und mit einer Tabellenkalkulationssoftware gerechnet, so sind die Möglichkeiten stark begrenzt. In unserem Artikel zeigen wir Ihnen Alternativen auf: Mit einem digitalen Qualitätszwilling erzeugen Sie schon früh im Entwicklungsprozess belastbare Aussagen zu möglichen Toleranzproblemen.

Ein arithmetisches Addieren der Toleranzen („Worst-Case-Szenario“) zeigt nicht die Realität in der Fertigung auf. Die realen Messdaten werden sehr häufig nach dem Prinzip der statistischen Prozesslenkung („Statistical Process Control“, SPC) ausgewertet. Umso wichtiger ist es von Anfang an ein professionelles Werkzeug zur Qualitätsbetrachtung einzusetzen.

Das Erreichen von Qualitätskonformität wird somit untrennbar mit „Vorhersagbarkeit“ verbunden. Davon ausgehend, dass sich die Finite Elemente Methode (FEM) sowie die Toleranzsimulation mit der Bauteilqualität beschäftigt, nämlich FEM mit der physikalischen und die Toleranzanalyse mit der geometrischen Qualität, kann wieder die Analogie zur Festigkeitssimulation herangezogen werden. Beispielsweise kann der Entwickler mittels der Struktursimulation die strukturelle Integrität eines Bauteils oder einer Maschine im Vorfeld prüfen und die notwendigen Änderungen zur Erreichung eines definierten Qualitätsziels anordnen.

Dieser Vorteil trifft sowohl in der Toleranzsimulation als auch beim digitalen Qualitätszwilling zu: Bevor das Bauteil oder die Baugruppe zum ersten Mal gebaut wird, kann die Genauigkeitsanforderung an die Ist-Geometrie definiert werden. Die Produktion weiß vorab genau, wo eine hohe Anforderung an die Exaktheit der Bauteil-Geometrien wichtig ist und in welchen Bereichen die Abweichungen großzügiger ausfallen dürfen. Da Maßhaltigkeit Kosten verursacht, wird somit nur an den kritischen Stellen investiert, um Qualitätsanforderungen bezahlbar zu halten.

Sorgen Sie in Ihrem Unternehmen für Klarheit über die gültigen Qualitätskriterien und achten Sie darauf, Qualität gesamtheitlich zu erfassen.

Ulrich Decker

Viel Statistik „unter der Haube“

Die Toleranzanalysesoftware von Dimension Control Systems (DCS) skaliert mit der Komplexität der geometrischen Simulation. Schon bei vermeintlich einfachen Stapelanalysen, wie beispielsweise der erwähnten Fahrradkette, kann durch die Rundheitsfehler der Kettenglieder die Toleranz nicht mittels einer Tabellenkalkulation vorhergesagt werden.

Dass Toleranzanalysen alles andere als trivial sind, zeigt das Beispiel einer Lochgruppe. Wie definiert man die Toleranz, so dass die Schrauben in der Ist-Geometrie auch tatsächlich in die Löcher passen? Definiert man die erlaubte Abweichung von den Rändern aus des gelochten Bauteils – aber wie verarbeitet man die Tatsache, dass auch die Ränder einer Toleranz unterliegen? Erzwingt man enge Toleranzen in der absoluten Lage des Bauteils in Referenz zu einem eindeutigen Koordinatensystem? Oder ist die Toleranz der Lage der Löcher nur in Bezug auf die Lage der Schrauben zu erzwingen, also relativ zwischen Schrauben und Löchern? Wobei das Loch-Schraube-Beispiel ganz klar eine der einfachen Anwendungen ist.

Es wird bei der Toleranzanalyse viel mit Geometrie gearbeitet, mit statistischen Verteilungen und mit Optimierungen. Ein Vorteil ist, dass dies automatisch abläuft. Die Ergebnisse werden grafisch aufbereitet und dem Anwender zur Beurteilung geliefert. Die nahtlose Integration der Toleranzanalyse in die gängigen CAD-Systeme wie 3DEXPERIENCE und CATIA V5, NX CAD, SOLIDWORKS oder PTC CREO ermöglicht der Toleranzsimulation ein organischer Teil der Wertschöpfungskette zu sein.

Und was ist mit den simulierten und den gemessenen Toleranzdaten?

Sobald die Produktion angelaufen ist, werden zusätzlich zu den simulierten Toleranzen auch physikalische Messungen durchgeführt. Diese dienen zur Überwachung der Produktion und der Qualität der Produkte. Um stets Zugriff auf alle Daten in Echtzeit zu haben, bietet Dimension Control Systems ein „Quality Data Management“ System (QDM) an. In einem zentralen Server werden die simulierten und gemessenen Daten gespeichert, vereinheitlicht und berechtigten Personen unabhängig vom Standort zugänglich gemacht. Anhand dieser Datensätze erfolgt dann die Überwachung der Produktion in Echtzeit, die Analyse möglicher Probleme und die Berichterstellung.

„Total Quality“ ist die Symbiose zwischen Simulation und Messung

Die Kombination von Toleranzanalyse und des Qualitätsdatenmanagements ermöglicht einen individuellen Closed-Loop-Toleranzanalyseprozess. Dieser „Closed-Loop“-Ansatz wird zurecht auch als „Total Quality“-Ansatz bezeichnet. Er ermöglicht es Ingenieuren, die während der Simulation erzeugten theoretischen Toleranzanalyseergebnisse mit den tatsächlichen Ist-Ergebnissen abzugleichen – und das Ganze in Echtzeit und unabhängig vom Standort. Bevor Probleme in der Produktion auftreten, können Änderungen zeitnah über die Simulation abgesichert werden. Das ermöglicht Qualität aktiv zu steuern und nicht nur auf Fehler oder Qualitätsereignisse zu reagieren. Das ist für viele Unternehmen ein „Game Changer“.

Die CENIT AG als exklusiver europäischer Vertriebspartner für die Toleranzanalysesoftware 3DCS von Dimension Control Systems

Die CENIT AG berät, optimiert, integriert und managt die digitalen Prozesse ihrer Kunden. Seit 2017 sind wir exklusiver Vertriebspartner der Dimension Control Systems (DCS) für deren Toleranzanalysesoftware 3DCS. Eine eigene Support-Hotline, erfahrene Service-Mitarbeiter*innen und ein breites Schulungsangebot zu allen DCS-Themen macht die CENIT AG zu einem ganzheitlichen Partner für „Quality 360°“.

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