Strukturdynamik: Fast-Fourier-Transformation und Modalanalyse mit Abaqus

Veröffentlicht 29.03.2022

Die Spannseile von Schrägseilbrücken können aufgrund ihrer hohen Steifigkeit infolge periodischer Windböen leicht zu Schwingungen angeregt werden, siehe Video. Die Anregung kann schnell zu sichtbaren Schwingungen führen, die die Gebrauchstauglichkeit der Brücke deutlich beeinträchtigen. Regen-Wind induzierte Schwingungen [1] können sogar zu kritischen Verformungen des Brückenkörpers führen, so dass die Schwingungsfähigkeit von Seilen mit dem Tragfähigkeitsnachweis näher zu untersuchen ist.

Redaktionsleitung
Dipl.-Ing. Nicole Meyer
Dipl.-Ing. Nicole Meyer
Senior Consulting 3DS-PLM | Redakteurin 3DS-PLM Technisches Magazin
Autor*in
Sven Reinstädler, Dr.-Ing.
Dr.-Ing. Sven Reinstädler
Senior Consultant Simulation

An der Schwingung eines durch Windböen angeregten vorgespannten Seils wird im Folgenden gezeigt, wie schnell man dessen Beanspruchung mit einer Steady-State-Dynamics-Modal-Analyse berechnen kann.

SPANNSEIL UND WINDEINWIRKUNG

Das 100 m lange Seil mit einer Querschnittsfläche von 30  10-4 m2 hat ein Elastizitätsmodul von 1,79  1011 N/m2 und eine Dichte von 7850 kg/m3. Die maximale Zugspannung beträgt 1450  106 N/m2. Das mit 200 103 N vorgespannte Seil wird periodisch durch Windböen angeregt. Die Windböen mit einer maximalen Belastung von 100 N/m treten in zeitlichen Abständen von 2 s auf (siehe Formel in Abb. 1 und rote Linie in Abb. 5).

FAST-FOURIER-TRANSFORMATION

Für eine Steady-State-Dynamic (SSD) Analyse wird die Anregung mit einer Fourier-Reihe entwickelt. Die Fourier-Reihe und die Formeln zur Berechnung der Fourier-Koeffizienten sind in Abb. 2 zusammengestellt.

Neben dem zeitkonstanten Mittelwert P0 soll die Windanregung hier mit drei Reihengliedern (Ps1, Pc2 und Pc4) angenähert werden (siehe Abb. 3).

Die angegebenen Zahlenwerte sind mit den allgemeingültigen Formeln berechnet.

Die zeitliche Approximation der Windböenlast ist in Abb. 5 in Stufen entwickelt. Entlang des Seiles ist die Belastung als konstant angenommen.

MODELLIERUNG UND ANALYSE-PROZEDUREN

Das mit Balkenelementen modellierte Seil ist an beiden Enden gelenkig gelagert. Zur numerischen Analyse sind drei Steps angelegt. Zuerst wird in einem Static-Step das Seil vorgespannt und mit dem Mittelwert der Windanregung belastet. Im zweiten Step vom Typ Frequency werden für den vorgespannten Zustand (Base State) die ersten 10 Eigenfrequenzen und die jeweils zugehörigen Schwingungsformen berechnet. Zuletzt folgt der SSD-Step. Analysiert wird das Schwingungsverhalten des Seils für Windböen mit Anregungsfrequenzen bis 10 Hz. Dabei ist für alle Eigenschwingungsmoden 2 % kritische Dämpfung angesetzt.

In Frequency- und SSD-Steps werden primär Eigenfrequenzen und Schwingungsformen beziehungsweise generalisierte Verschiebungen berechnet und ausgewertet (siehe auch: Strukturdynamik - Abaqus und sein NVH-Tool). Da Abaqus für diese speziellen Analyse-Techniken standardmäßig keine Spannungsgrößen herausschreibt, werden für die Berechnung der maximalen Zugspannung zusätzliche Field-Output-Requests angelegt, mit denen unter anderem die Spannung S11 abgespeichert wird.

WICHTIG: Mit einem SSD-Step (linear perturbation procedure) werden nur die Abweichungen vom sogenannten Base State berechnet, so dass weder die Vorspannung noch der Mittelwert der Windanregung in der graphischen Ausgabe der Spannung S11 enthalten sind. Wie man am Farbverlauf in Abb. 6 sehen kann, führt die SSD-Analyse allein zu Biegebeanspruchungen. Zur besseren Sichtbarkeit ist der Durchmesser des Seils mit dem Faktor 100 im Abaqus Viewer vergrößert.

INFO: Die SSD-Analyse ist schnell, weil mit ihr im Wesentlichen der räumliche Lastvektor auf die berücksichtigten Eigenschwingungsmoden projiziert wird (Berechnung der Partizipationsfaktoren). Wenn überhaupt, wird nur ein sehr kleines Gleichungssystem (Anzahl der Freiwerte = Anzahl der berücksichtigten Eigenschwingungsmoden) innerhalb der SSD-Analyse gelöst.

DISKUSSION DER ERGEBNISSE

Zur Darstellung der resultierenden Spannung S11res stellt Abaqus eine spezielles Tool bereit, das über das Hauptmenü aufgerufen werden kann (Tools > Field Output > Create From Fields…). Mit der in Abb. 7 dargestellten Dialogbox können Ergebnisse verschiedener Steps und Frames komfortabel superponiert werden. Die Frames 90, 173 und 352 des SSD-Steps repräsentieren die Systemantwort bei den Anregungsfrequenzen 0.5 Hz, 1 Hz und 2 Hz, so dass diese in die Addition mit aufgenommen sind. Da zunächst eine Gleichstreckenlast mit dem Wert 1 N/m angesetzt wurde, sind die in Abb. 3 angegebenen Fourier-Koeffizienten mit dem Faktor 100 multipliziert.

 

Der neu erstellte Load Case mit dem Namen S11res wird im sogenannten Session Step abgelegt, der automatisch mit angelegt wird. Das Ergebnis der Superposition ergibt eine maximale Zugspannung von 76   106 N/m2, siehe Abb. 8.

Mit der Funktion Create Field Output From Frames wird nur der Realteil der Spannungen ausgewertet (Abaqus/CAE User’s Guide 42.7.5 Creating field output by operating on frames). Bei erhöhten Dämpfungen kann dies zu einer unterbewerteten Beanspruchung führen.

Bezogen auf die Vorspannung ist der Einfluss der Windlast relativ gering, obwohl die erste Eigenfrequenz f1 ≈ 0,46 Hz beträgt, siehe Abb. 9. Dem dargestellten Antwortsprektrum nach kann der Einfluss höherer Eigenschwingungsmoden vernachlässigt werden.

Anmerkung: Bei einer Modal-Analyse wird die zeitveränderliche Belastung mit Biegeverformungen und nicht mit Seiltragwirkung abgetragen. Dies ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten.

FAZIT UND ZUSAMMENFASSUNG

Der Artikel zeigt, dass die Eigenfrequenzen des modellierten Seils im baudynamisch interessanten Frequenzbereich um 1 Hz liegen. Damit können vorgespannte Seile von Brücken leicht durch Windböen zu Schwingungen angeregt werden. Auch wenn die Eigenfrequenzen um 1 Hz liegen, ist die Gebrauchstauglichkeit der Brücke hier nicht weiter beeinträchtigt. Dies liegt insbesondere daran, dass das eingesetzte Drahtseil aus Einlagen und Litzen aufgebaut ist, die ihrerseits aus einer Vielzahl an Drähten bestehen, so dass maximale Schwingungsamplituden infolge hoher innerer Reibung deutlich gedämpft sind. Des Weiteren ist die Windangriffsfläche relativ gering, so dass die Windeinwirkung im Vergleich mit der Einwirkung infolge Vorspannung hier kaum ins Gewicht fällt.

Es wurde dargestellt wie komfortabel man mit Abaqus unter Verwendung des NVH-Plug-in

  • die Fourier-Koeffizienten zu periodischen Anregungen ausrechnet,
  • die Schwingungsanfälligkeit von Strukturen mit Frequency-Steps beurteilen kann
  • und wie man mit einem SSD-Step die Systemantwort im Frequenzbereich effizient analysiert.

Des Weiteren wurde vorgestellt, wie man Teillösungen zu Gesamtlösungen im Abaqus-Viewer superponiert.

Literatur:

[1] Oliver Dreyer: Regen-Wind induzierte Seilschwingung in laminarer und turbulenter Strömung, Dissertation TU Braunschweig, 2004.

Workshop:
Lineare Dynamik mit Abaqus simulieren

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