Power`By: Multi-CAD in der 3DEXPERIENCE Plattform (er)leben

Veröffentlicht 29.03.2022

Mit den neuen Power’By Multi-CAD-Integrationen der 3DEXPERIENCE Plattform erreichen Sie ein neues Level an Zusammenarbeit. Häufig müssen Konstruktionsumfänge unterschiedlicher Herkunft und CAD-Formate in Entwicklungs­projekten zusammengeführt werden. Das bedingt oft wiederkehrende und fehleranfällige Konvertierungen ohne inhaltlichen Mehrwert. Wie viel einfacher wäre es, die CAD-Daten direkt im jeweiligen Ursprungsformat im Projekt verwenden zu können?

Redaktionsleitung
Dipl.-Ing. Nicole Meyer
Dipl.-Ing. Nicole Meyer
Senior Consulting 3DS-PLM | Redakteurin 3DS-PLM Technisches Magazin
Autor*in
Harald Beinhauer
Harald Beinhauer
Principal Consultant

RISIKEN MIT NEUTRALFORMATEN

Bislang wird eine Zusammenarbeit typischerweise dadurch realisiert, dass die Daten aus den CAD-Systemen über Konvertierungsroutinen in Neutralformate gewandelt und in das jeweilige Zielsystem importiert werden. Das Arbeiten mit Neutralformaten hat einige Einschränkungen zur Folge:

  • Verluste wichtiger, fertigungsrelevanter, Informationen wie beispielsweise Bauteilnamen, Maße, Konstruktionshistorie
  • Fehlende Aktualität und Vollständigkeit der Daten nach Änderungen
  • Fehlende Stücklisteninformationen

NEUE MÖGLICHKEIT IN DER ZUSAMMENARBEIT: MULTI-CAD

Mit der neuen Unified Product Structure (UPS) in der 3DEXPERIENCE-Plattform wurde nun die Funktionalität der CAD Baugruppenhierarchie und Stücklisteninformation in einer einheitlichen Struktur vereint. In dieser UPS können Bauteile aus unterschiedlichen CAD-Formaten verwaltet und heterogen zusammengestellt werden. Daraus resultieren viele Vorteile für die Folgeprozesse:

  • Einheitliche Baugruppenstruktur, ohne konvertierte Formate
  • Immer aktuelle und gültige Einzelteile und Strukturen
  • Vollständige Stücklisteninformationen
  • Durchgängige Modellierung mit frühzeitiger Simulation

 

MULTI-CAD: VORTEILE IN DER ANWENDUNG

Gemeinsam können Anwender verschiedener CAD-Systeme an einer Multi-CAD-Baugruppe arbeiten. Die Möglichkeiten gehen dabei weit über die reine Visualisierung hinaus. Vielmehr können die verschiedenen Bauteilstrukturen in ihrem Ursprungs-CAD-System bearbeitet und im Kontext der Multi-CAD-Baugruppe analysiert und verwendet werden.

Dabei stehen folgende Funktionalitäten zur Verfügung:

  • Komponenten öffnen und einfügen
  • Messungen, Schnitte generieren
  • Gewichts- und Schwerpunktberechnung
  • Anmerkungen und Texte
  • DMU-Analysen (Kollisionsanalysen, Mindestabstände usw.)
  • Design im Kontext (z. T. nicht assoziativ)
  • Verwaltung der Stücklisten-Attribute der 3DEXPERIENCE Plattform
  • Änderungs- und Projektmanagement

DARSTELLUNG VON MULTI-CAD BAUGRUPPEN

Die nachfolgenden Bilder zeigen eine CATIA 3DEXPERIENCE Multi-CAD-Baugruppe, die mit Bauteilen aus den CAD-Systemen SOLIDWORKS, NX, Creo, CATIA V5 und 3DEXPERIENCE zusammengestellt wurde.
Der Product Structure Editor bietet eine Tabellenansicht, in der die Ursprünge der Komponenten in der Spalte „CAD-Master“ angezeigt werden.

Benötigte Rolle: 3D Product Architect (PAU)

In den jeweiligen CAD-Systemen sind die nativen Formate bearbeitbar. Hier finden Sie die benötigten Rollen.

  • CATIA 3DEXPERIENCE:

Hier ist eine CATIA 3DEXPERIENCE Multi-CAD-Baugruppe abgebildet, die mit Bauteilen aus den CAD-Systemen SOLIDWORKS und CATIA V5 zusammengestellt wurde. An der farblichen Markierung im Strukturbaum ist erkennbar, mit welchem CAD-System die einzelnen Komponenten erzeugt worden sind.
Benötigte Rolle: Mechanical Design (MDG)

  • Solidworks:

Die 3DEXPERIENCE Produktstruktur ist in dieser Abbildung in einem Solidworks Slide-IN Register dargestellt und kann dort direkt manipuliert und verwaltet werden. Benötigte Rolle: Collaborative Designer for SOLIDWORKS (UES)

    • CATIA V5:

    Unter CATIA V5 kann die Multi-CAD Baugruppe mit dem 3DEXPERIENCE Root-Knoten inklusive der externen CAD-Daten direkt geöffnet und die CATIA V5 Daten im Kontext bearbeitet werden.
    Benötigte Rolle: Collaborative Designer for CATIA V5 (UE5)

    ERSTELLEN EINER MULTI-CAD BAUGRUPPE

    Die Erstellung eines 3DEXPERIENCE Produktes kann auf zwei Arten erfolgen:

    • Webbasierend, im 3DEXPERIENCE Dashboard mit der App „Product Structure Editor“.  Die Power’By-Integration und die damit installierten Plattform-Apps benötigen keinerlei Browser-Plug-ins. Power’By wird mit der Dassault Systèmes’ “On-Cloud”-PLM Lösung der 3DEXPERIENCE-Plattform verwendet.
    • On Premise, in der CATIA 3DEXPERIENCE CAD-Umgebung.

    TIPP: Um die Folgeprozesse in der 3DEXPERIENCE Plattform optimal zu unterstützen, sollte der oberste Produktknoten (Root-Knoten) einer Multi-CAD-Baugruppe als Physical Product vorliegen. Dieser CATIA 3DEXPERIENCE Root-Knoten lässt sich dann in CATIA V5 als auch in SOLIDWORKS öffnen.

    Ein Arbeiten ohne den Product Structure Editor ist möglich, indem die Multi-CAD Baugruppen direkt im jeweiligen CAD-System zusammengebaut werden. In diesem Fall wird der Rootknoten im nativen Format des jeweiligen CAD-Systems erzeugt und ist dann auch nur dort zu öffnen.

      ABGELEITETE DATEN, STATT NEUTRALFORMATE

      Die neutralen Repräsentationen der unterschiedlichen CAD-Formate werden im 3DEXPERIENCE Derived Format Converter (DFC) generiert. Sie dienen der grafischen Darstellung in der 3DEXPERIENCE Plattform und werden in den Downstream-Prozessen genutzt. Zusätzlich können auch weitere abgeleitete Formate erzeugt werden, wie beispielsweise PDF-Dateien aus Zeichnungen.

      • Abgeleitete Daten sind im Aktualisierungszyklus enthalten, da sie im Kontext der 3D-Daten verwaltet werden.
      • Eventgesteuert: Die abgeleiteten Daten werden im Batch mode erzeugt.

      Als Administrator konfiguriert man im Derived Format Management, welche Formate bei welcher Aktion erzeugt werden sollen. Die abgeleiteten Formate können entweder interaktiv durch den Anwender, sowie automatisiert beim Speichern oder Befördern in einen anderen Lebenszyklus-Status (Promote) erzeugt werden. Dadurch ist sichergestellt, dass in den verschiedenen CAD-Systemen immer mit aktuellen Daten gearbeitet wird.

      Der DFC besitzt zwei Arbeitsmodi, den Client-Modus und den Admin-Modus:

      • Im Admin-Modus wird der DFC von einem 3DEXPERIENCE-Administrator auf einer dedizierten Maschine gestartet und dort erfolgt zentral die Abarbeitung der Konvertierungsjobs aller Anwender.
      • Im Client-Modus wird der DFC als separate Anwendung auf den lokalen Anwendermaschinen installiert und verarbeitet nur die Konvertierungsjobs dieser Maschine und des daran angemeldeten Anwenders. Er erzeugt aus den nativen Formaten der CAD-Systeme die abgeleiteten Formate und stellt diese neben den eigentlichen CAD-Objekten in 3DEXPERIENCE bereit.

      Der DFC erzeugt die abgeleiteten Formate asynchron. Dadurch können auch große Datenmengen (Baugruppen mit vielen Einzelteilen) unabhängig vom Eincheckvorgang verarbeitet werden, d.h. der Anwender muss beim Speichern nach 3DEXPERIENCE nicht warten, bis die abgeleiteten Formate aller CAD-Objekte erzeugt worden sind.

        MULTI-CAD DATEN IN DEN JEWEILIGEN CAD-SYSTEMEN

        Multi-CAD Baugruppen können in verschiedenen CAD-Systemen kombiniert genutzt werden. Unabhängig, in welchem CAD-System die Multi-CAD Daten genutzt werden sollen, die Reihenfolge beim Öffnen der CAD-Daten erfolgt automatisch und unterliegt folgender Priorisierung:

        1. Natives Format
        2. Format: ExactGeometry
        3. Format: STEP (lesend)
        4. Warnmeldung: Komponenten der Baugruppe können nicht geöffnet werden

         Unter R2021x wurden folgende 3DEXPERIENCE-Konnektoren für die CAD-Systeme unterstützt:

        • CATIA 3DEXPERIENCE
        • PLM Collaboration Services for CATIA V5
        • PLM Collaboration Services for Solidworks
        • PLM Collaboration Services for NX
        • PLM Collaboration Services for AutoCAD
        • Draftsight

         

         

        VERWENDUNG DER MULTI-CAD-MODELLE IN DER SIMULATION

        Die Bauteile und Baugruppen aus den unterschiedlichen CAD-Systemen können direkt in die Simulationsaufbereitung übernommen werden. Dabei bleibt die Unterscheidung des Bauteilursprungs (z.B. CATIA V5, Solidworks, NX, …) erhalten, führt aber zu keinerlei Einschränkungen in der Geometrievereinfachung und der FE-Diskretisierung, siehe Bild 9.

        Aus der gesamten Baugruppe werden in der Vernetzungsumgebung die gewünschten Bauteile übernommen, die für die Simulation relevant sind. Die restlichen Bauteile oder Unterbaugruppen können später in der Ergebnisdarstellung wieder eingeblendet werden, haben aber keinerlei Einfluss auf die Berechnung. Eine automatische Tetraeder-Vernetzung vernetzt robust auch komplexe Geometrien. Bild 10 zeigt eine solche Vernetzung.

        Das FE-Netz wird dabei dem Baugruppenobjekt angehängt und ist direkt über den Strukturbaum aufrufbar. Ob man dabei eine Vernetzung auf Baugruppenebene oder auf Bauteilebene bevorzugt, bleibt dem Anwender überlassen und ist unabhängig vom Geometrieursprung. In beiden Fällen bleibt der Datenbezug zwischen diskretisierter Geometrie und Ursprungsgeometrie erhalten und nachvollziehbar.

        Aus der Modellaufbereitung geht es direkt in die Simulationsumgebung, hier eine Eigenfrequenzanalyse, Bild 11. Das zuvor angelegte Netz auf Baugruppenebene wird direkt erkannt und dient als Basis der Berechnung.

        Repräsentativ wird eine freie Eigenfrequenzanalyse der Baugruppe durchgeführt. Um die Starrkörperverschiebungen zu vernachlässigen, definieren wir als Minimalfrequenz 1 Hz. Bild 12 zeigt das entsprechend skalierte Ergebnis.

        In dieser kurzen Zusammenfassung haben wir dargestellt, wie Multi-CAD-Baugruppen in die Simulationsumgebung der 3DEXPERIENCE Plattform übernommen und genutzt werden können. Dabei haben wir keinerlei Einschränkungen im Pre- oder auch Postprocessing. Der Bauteilursprung bleibt erhalten, ist für die Simulation aber irrelevant.

        Aufbauend auf diesem Artikel zeigen wir in einer Artikelreihe, wie Simulationen basierend auf Baugruppen aus unterschiedlichen CAD-Systemen updatestabil aufgebaut werden können. Änderungen an den nativen Daten in den Ursprungs-CAD-Systemen werden im Simulationsobjekt der Plattform erkannt und über ein einfaches Update direkt übernommen. Ein neuer Modellaufbau ist dabei nicht notwendig.

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