Additive Fertigung: Filigran Gestalten & Anforderungen erfüllen


„GUTES DESIGN IST EINFACH UND EINFACH IST SCHWIERIGER ALS KOMPLIZIERT.“
[D. RAMS, INDUSTRIEDESIGNER]
Additive Fertigung eröffnet nicht nur viele Möglichkeiten, es lässt uns auch bewährtes hinterfragen:
- Optimiere ich ein bestehendes Bauteil, um es künftig additiv fertigen zu können?
- Gestalte ich ein Bauteil neu, damit es die gleiche Aufgabe erfüllt, aber die Druckzeit und der Materialeinsatz minimiert werden können?
- Wähle ich das Verfahren anhand der Parameter des Bauteils oder gestalte ich das Bauteil anhand der Parameter des Verfahrens?
In Abb. 1 sehen Sie das große Potential Additiver Fertigungsverfahren. Die Gestaltsmodifikation wirkt sich in diesem Fall auf die Reichweite der Drone aus, die durch Gewichtsreduzierung einen größeren und schwereren Akku transportieren kann.
GUTES DESIGN ZEICHNET SICH DURCH MEHR AUS ALS NUR SEINE FERTIGUNG
Design for Additive Manufacturing (kurz DFAM) bedeutet nicht nur, "wie produziere ich das Bauteil“, sondern auch, „wie prüfe ich es“ und vor allem, „was mache ich mit den gewonnenen Erkenntnissen?“
DURCH EINE VOLLSTÄNDIG DIGITALE PROZESSKETTE WIRD DER BERÜHMTE „CLOSED LOOP“ GESCHLOSSEN
Für den industriellen Einsatz von additiv gefertigten Bauteilen sind auch Vorgaben zu erfüllen, wie beispielsweise:
- „Gedruckte“ Werkzeuge für Umformprozesse müssen mit ausreichender Präzision gefertigt werden, um eine hohe Wiederholungsgenauigkeit zu erreichen.
- Serienbauteile gleicher Machart müssen über die notwendigen Zertifizierungen verfügen.
- Hybrid Fertigung, also die Verbindung von konventionellen und additiven Fertigungsschritten, eröffnen neue Möglichkeiten für die Gestalt.
DIE NATUR KENNT KEINE TANGENTIALITÄT: DER EINFLUSS VON BIONIK
Die gängigen industriellen Fertigungsverfahren machen es notwendig eine Gestalt mit Mindestradien, Wandstärken und Entformungsschrägen zu versehen. Bei der Additiven Fertigung stellen sich daher auch folgende Fragen:
- Wird dies bei der Additiven Fertigung hinfällig?
- Ist mit dem 3D-Druck alles möglich?
DIE PHYSIK SPIELT EINE HAUPTROLLE
Die additiven Technologien ermöglichen der Gestaltsgebung einen großen Spielraum, dennoch sind sie an physikalische Grenzen gebunden. Ein filigranes Bauteil beispielsweise gesintert mit feinstem Polyamidpulver (SLS – Selektives Lasersintern) kann beeindruckend aussehen. Geschmolzen in Metall (SLM - Selektives Laserschmelzen) kann die filigrane Struktur bis zum letzten Moment eine spannende Sache bleiben. Man befindet sich nahezu bis zum letzten Prozessschritt auf einem schmalen Grat zwischen dem perfekten Bauteil und einem Häufchen heißem Metallschrott.
SIMULIEREN STATT EXPERIMENTIEREN
Im folgenden Beispiel skizzieren wir Ihnen die analytische Vorgehensweise bei der Entwicklung eines einfachen Fahrradvorbaus. Als Ausgangsmaterial wählen wir Aluminium, da unser Fahrrad leicht, aber dennoch robust sein soll. Um es zu verarbeiten nutzten wir ein 3D-Metalldruckverfahren. In der industriellen Fertigung setzt man heutzutage oft Strahlschmelzverfahren ein, wie beispielsweise LPBF „Laser Powder Bed Fusion“, SLM „Selective Laser Melting“ oder DMLS „Direct Metal Laser Sintering“.
Anforderungen:
Analyse der Problemstellen:
- Der Fahrradvorbau soll vollständig neu konzipiert werden.
- Wir haben in zwei Raumrichtungen zylindrische Durchbrüche, durch die Lenker und Gabel eingebracht werden müssen.
- Während des Druckvorgangs entstehen thermisch induzierte Spannungen im Bauteil.
- Um das Bauteil später auch in größeren Stückzahlen fertigen zu können muss eine spanende Nachbearbeitung möglich sein.
Ein möglicher Lösungsansatz:
- Da kein Vorgängermodell existiert, das konstruktiv abgeändert werden muss, wenden wir eine Generative Designsoftware und eine entsprechende Methodik an.
- Entweder dreht man das Bauteil für den Druckprozess entlang der Längsachse um 45° im Raum oder man nimmt in Kauf, dass mindestens einer der Durchbrüche mit Stützstrukturen durchsetzt sein wird.
- Gegebenenfalls ist es später notwendig weitere Stützstrukturen einzuplanen. Sie dienen, im Gegensatz zu anderen Verfahren, dem Zweck der Wärmeabfuhr. Dies könnte dazu führen, dass auch aus dem zweiten Durchbruch Material entfernt werden muss.
- Entlang der Durchbrüche wird nur so viel Material eingeplant wie unbedingt notwendig ist, um die Funktion zu gewährleisten. Wir schränken damit gezielt die Freiheiten der Optimierung ein.
METHODE: DESIGN SPACE DESIGNEN
Da wir nur begrenzt Zeit haben und nicht auf die Natur warten können, bis sie für uns ein Fahrrad durch die Evolution geschoben hat, beschleunigen wir den Vorgang ein wenig. Dies erfolgt mittels einer Topologie-Optimierung. Auf den Fahrradvorbau wirken bei einem Bremsvorgang oder bei einem Unfall die größten Kräfte. Der Fahrer wird versuchen sich gegen den Lenker abzustützen; ähnlich wie bei dem Schwarzbärenschädel, wirken die Kräfte auf Zug entlang der Längsachse des Bauteils. Da Zugspannungen erheblich zum Versagen von Bauteilen beitragen, müssen wir dies berücksichtigen. Aus dem Natur-Vorbild leiten wir für unsere Software die Vorgabe für den möglichen Bauraum (Design Space) ab und definieren den entsprechenden Lastfall mit einer ausreichenden Sicherheit. Nun könnte man meinen eine Generatives Design Software und unsere leistungsfähigen Computer nehmen uns viele Überlegungen ab. Das mag auch so korrekt sein, aber wir sollten trotz Autopilot eine Hand am Steuer lassen und auch nicht die unendliche Kreativität der Natur bei der Lösungsfindung vergessen. Ganz konkret bedeutet dies, wir geben der Software eine Richtung vor, in der wir ein erfolgsversprechendes Ergebnis erwarten. Ähnlich wie einem Navigationssystem, dem wir sagen: „Fahre mich nach Wien, aber meide alle Mautstraßen.“ Erst kurz vor dem Ziel verfeinern wir unseren Wunsch und ergänzen: „Hundertwasserhaus“.
METHODE: ITERATIVES DESIGNEN
Eine weitere Variante ist die "Schritt für Schritt-Methode". Dabei lassen wir der Software so viel Bauraum und Freiheiten wie möglich und nähern uns dem optimalen Ergebnis iterativ an. In der folgenden Tabelle finden Sie die einflussreichsten Parameter bei der Gestaltung von Additiven Bauteilen. Gegenüberstellung der Parameter zu den Verfahren SLS und SLM:
Parameter | SLS | SLM |
Material |
Kunststoffpulver |
Metallpulver |
Gerätepreis |
Ab 20 000 Euro |
Ab 75 000 Euro |
Wirkungsweise |
Sinter |
Schmelzen |
Temperaturbereich |
Unterhalb des Schmelzpunkts des Rohmaterials (z.B. 149°C bei PP, 160°C bis 200° C bei PA) |
1500°C bis 1600°C |
Schichtstärke |
50-200 µm |
15-500 µm |
Stützstrukturen |
Keine notwendig |
Dienen dem Abstützen von Überhängen und der Wärmeabfuhr |
Wandstärken |
Ab 0,5 mm |
Ab 0,3 mm |
Fluchtlöcher |
Rund 5mm |
Rund 5mm (z.B. Topfenform oder Diamant) |
Bewegliche Zusammenbauten |
Möglich |
Nur mit erheblichem Aufwand, Einzelkomponenten z.B. durch innenliegende Stützstrukturen untrennbar miteinander verbunden |
Pulverrückstände |
Können meist restlos entfernt werden |
Häufig erfolgt eine Nachbehandlung z.B. durch Sandstrahlen |
Toleranzbereich |
0,3% |
0,1% |
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