Model Based Definition: Holen Sie Ihre Engineering-Prozesse in das 21. Jahrhundert

Bauen Sie die Produkte von morgen mit Prozessen von gestern?

Veröffentlicht 16.06.2020

Der Mangel an digitaler Kontinuität bremst Ihre Ingenieure aus. Und auch in der Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten streuen Medienbrüche Sand ins Getriebe. Damit sind Sie nicht allein: Die Fertigungsindustrie hat in Engineering und Produktion an einigen Workflows aus analogen Vorzeiten festgehalten. Vieles ist nicht digitalisiert und manches nicht einmal digital. Mit Model Based Definition beseitigen Sie dieses Problem von Grund auf, weiß Rolf Schmitzer. Der PLM-Experte berät führende Unternehmen der mittelständischen Zulieferindustrie.

Model Based Definition: Holen Sie Ihre Engineering-Prozesse in das 21. Jahrhundert

Verzögerungsfrei, agil und vernetzt: So stellt man sich einen modernen Engineering-Arbeitsplatz in Spitzentechnologiebranchen wie Automotive oder Maschinenbau vor.

Noch entspricht das jedoch nicht der Realität. Bis heute verfügen nur vereinzelte Unternehmen oder Start Ups tatsächlich über einen digitalen Backbone, an den alle Disziplinen angeschlossen sind und über den die Mitarbeiter Informationen zum Produktlebenszyklus erzeugen, fortführen oder einsehen.

Relikt der Zeichenbrettära: Die 2D-Zeichnung als Master

Eine der Hürden auf dem Weg zum End-to-End Engineering ist die Verwendung der papierbasierten technischen 2D-Zeichnung zur Weitergabe von fertigungs-, qualitäts- und funktionsrelevanten Daten.

Sie ist als Arbeitsmittel immer noch Standard, obwohl sie einen entscheidenden Nachteil hat: Sie stellt einen Medienbruch zum 3D-Modell im CAD-Autorensystem dar, mit dem Bauteile und Baugruppen konstruiert werden.

Als Ableitung vom CAD-3D-Modell ist die Zeichnung an sich bereits eine vereinfachende Interpretation. Bei ihrer Verwendung wird sie von einem Mitarbeiter „gelesen“ und folglich erneut interpretiert.

Wenn Konstruktionsrichtlinien fehlen, hängt zu viel von Erfahrungswissen ab

Dazu kommt die Tatsache, dass vielerorts die Konstruktionsrichtlinien nicht mehr auf dem neusten Stand sind. Schlimmstenfalls fehlen sie ganz. Eigentlich ist darin entlang der relevanten Din-Nomen geregelt, wie in einem Unternehmen technische Produktinformationen zu hinterlegen sind. Ohne Richtlinien wird Erfahrungswissen zur alleinigen Grundlage von Wertschöpfung: Wer den Kollegen gut kennt, weiß um seine Eigenheiten und versteht seine Angaben. Wie das wohl mal wird, wenn er in Rente geht?

Stellen Sie sich kurz vor, im Werkzeugbau wird das Bezugsschema, das der Konstrukteur dem Bauteil mitgegeben hat, nicht richtig übernommen. Entweder, weil die Angabe schon fehlerhaft in der 2D-Zeichnung hinterlegt ist oder weil sie nicht richtig ausgelesen wird. Nach ein paar Bearbeitungsschritten im falschen Neigungswinkel ist das Bauteil dann entweder Ausschuss oder muss aufwendig nachgearbeitet werden.

Toleranzprüfung eines Bauteils – mit und ohne 2D-Zeichnung

Was sich verändert, wenn Sie das 3D-Modell als „Single-Source-of-Truth“ zum Master machen, der alle fertigungs-, qualitäts- und funktionsrelevanten Daten (PMI/Product and Manufacturing Information) verzeichnet, illustriert der Standardprozess der Toleranzprüfung eines Bauteils.

Herkömmlicherweise (Bild 1) sind daran der Bauteilverantwortliche (beauftragt Prüfung / gibt eine Änderungsanforderung frei / gibt geändertes Bauteil frei), die Simulationsexperten (manuelles übertragen PMI-Werte aus der 2D-Zeichung in die Prüfsoftware / beschreiben der Änderungsanforderung / prüfen der Änderung der Entwicklungsabteilung) und die Konstruktion (ändert PMI in 2D-Zeichung) mehrfach beschäftigt.

Weil die 2D-Zeichnung als Master, in dem die PMI hinterlegt sind, verändert werden muss, kommt der Medienbruch zum 3D-Modell zum Tragen.

Zukünftig (Bild 2) sieht es dann so aus: die Simulationsexperten laden die relevanten PMI-Daten, die sie mit dem 3D-Modell erhalten haben, in die Toleranz-Software. Änderungen der PMI werden wieder direkt beim 3D-Modell eingetragen und im PDM (Produkt-Daten-Management) abgelegt. Mit der Freigabe der Änderung durch den Bauteilverantwortlichen ist der Prozess bereits abgeschlossen.

 

Sie eliminieren also Arbeitsschritte ohne Wertschöpfung und beenden den Medienbruch, der die Produktivität mindert und immer eine Gefahr für die Konsistenz und Richtigkeit von Daten mit sich bringt.

Indem Sie die PMI-Werte eines individuellen Bauteils in Folgeprozessen als Dateneingabe von Softwareanwendungen automatisch verarbeitet lassen, nutzen Sie die Möglichkeit, zusammenhängende Prozesse digital zu koppeln.

Das ist nicht nur effizienter, es ist auch dringend notwendig, wenn Sie daran denken, in Ihrem Unternehmen „Industrie 4.0“-Szenarien zu starten oder auszubauen. Sich von den letzten Prozessen des 20. Jahrhunderts endgültig zu verabschieden und das Engineering vollständig digital zu machen ist das eine. Digital ready für vernetzte Anwendungen sind wir aber erst, wenn wir es schaffen, die Prozesse auch durchgehend zu digitalisieren.

Model Based Definition modernisiert Ihren Produktentstehungsprozess

Wie upgraden Sie Ihre Produktentstehungsprozesse nun auf diesen digitalen Reifegrad?

Drei Handlungsfelder bilden den Rahmen für dieses Vorhaben:

  1. Startmodell: Sie definieren oder aktualisieren das Startmodel. Darin geben Sie einen Standard vor, welche Daten für ein Bauteil zu erstellen sind. Dieses einheitliche Datenmodel erfüllt die Anforderung, eine vollständige Beschreibung des Produktes zu sein und alle Informationen für aktuelle Folgeprozesse zu biete
  2. Konstruktionsrichtlinie: Sie definieren oder aktualisieren die standardisierte und einheitliche Vorgehensweise, die auf dieses Startmodell abgestimmt ist
  3. Model Based Definition: Sie lassen alle fertigungs-, qualitäts- und funktionsrelevanten Daten im 3D-Modell des Bauteils verzeichnen. Dabei ist Datenassoziativität gegeben, das heißt, die PMI sind spezifischen Komponenten zugeordnet. Die Daten sind maschinenlesbar und in Folgeprozesse digital als Eingangsdaten einzusetzen.

Erst mit Model Based Definition haben Sie die 2D-Zeichnung als Master abgelöst. Und nur wenn Sie mit Model Based Definition arbeiten, können Sie Ihren Produktentstehungsprozess voll in die Closed-loop-Steuerung von Prozessen über den digitalen Backbone integrieren.

Think big – start small: Das Projekt richtig dimensionieren

In der Regel ist es notwendig, immer nur bestimmte Bauteilgruppen und Prozesse umzustellen und nicht etwa die gesamte Stückliste anzuvisieren. Denn mit dem Vorhaben greifen Sie in bewährte Abläufe ein und müssen im PDM- und PLM-System Änderungen vornehmen.

Dazu kommt, dass sich das Projekt im Sinne der Digitalisierung lohnen soll. Stand heute sind jedoch nicht alle Folgeprozesse auf die Datenübernahme und Weitergabe eingerichtet.

Das kann zum einen an fehlenden Standards liegen – hier ist noch viel zu tun. Oder einfach am Alter des bewährten Equipments: Vielleicht stammt die Messmaschine aus einer Zeit, als noch niemand auf die Idee kam, nach offenen Datenschnittstellen zu fragen.

Und noch etwas gilt es zu bedenken: es wird interne Abteilungen geben, die in naher Zukunft nicht ohne die 2D-Zeichnung auskommen und dasselbe gilt auch für externe Partner. Ihre beschränkte Aussagekraft ist darüber hinaus praktisch, wenn es um den Schutz geistigen Eigentums geht.

In diesem Zusammenhang empfehlen wir übrigens 2D-Zeichungen mit einer prozessgesteuerten Konvertierung vom aktuellen Datenstand aus zu generieren und entsprechend mit einem Stempel zu markieren. Stefan Biefel hat das in einem Beitrag hier im CENIT Newsroom beispielhaft für das SAP-Umfeld erläutert.

Jetzt Ihr Engineering upgraden – mit dem Partner CENIT!

Bei einem solchen Projekt entstehen viele Fragestellungen: von unternehmerischen Entscheidungen über die Prozessmodulation in Entwicklung, Fertigung und IT bis zu notwendigen Initiativen für die Mitarbeiter.

Dabei stehen wir Ihnen gerne zur Seite. CENIT steht für über 30 Jahre Erfahrung in der Fertigungsindustrie und für tiefes, vernetztes Fachwissen zum Produktentstehungsprozess.

Wir bieten Ihnen dabei analog zu unserem „Ready-to-Grow“-Angebot bei der Einführung von 3DEXPERIENCE ein besonderes Paket für Model Based Definition an.

Mit Ready to Digitize machen wir Erfolg kalkulierbar:

  • schnelle Implementierung basierend auf generischen Projektbausteinen
  • Lösungen basierend auf vorkonfigurierten Templates und Standardeinstellungen
  • klar definierter Projektaufwand

Model Based Enterprise: Schaffen Sie den Arbeitsplatz der Zukunft

Ich bin überzeugt, dass die Zeichnung aus der Industrie verschwinden wird. Dem „Model Based Enterprise“ gehört die Zukunft. Anders geht es gar nicht, denn wie sonst sollte der Digitale Zwilling funktionieren?

Und ich könnte ergänzen, wie sonst wollen Sie in Zukunft Menschen als Mitarbeiter für Ihr Unternehmen begeistern?

Wenn ich bei Abstimmungsterminen die Praxis eingescannter 2D-Zeichungen anspreche, stoße ich bei Führungskräften aus produktionsfernen Abteilungen nicht selten auf tiefe Verwunderung: „So wird bei uns gearbeitet?!?“.

In der Tat sollte das bald Vergangenheit sein. Die Arbeitskräfte von morgen verdienen einen modernen Engineering-Arbeitsplatz: verzögerungsfrei, agil und vernetzt.

 

 

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